Worum geht's in Casino Royale?
Die Bond-Reihe war 2006 in einer Sackgasse. Die Brosnan-Ära hatte mit Die Another Day so hart ins Klo gegriffen, dass keiner mehr wusste, wie es weitergehen sollte. Unsichtbare Autos? CGI-Tsunamis? Madonna-Cameos? Das Franchise brauchte dringend einen Hard Reset. Und genau den lieferte Casino Royale.
Regisseur Martin Campbell – der Typ, der schon mit GoldenEye Pierce Brosnan erfolgreich einführte – bekam den Job, Bond neu zu erfinden. Diesmal sollte alles anders werden: Dunkler. Härter. Realistischer. Zurück zu Ian Flemings Wurzeln. Und vor allem: Zurück zu einem Bond, der nicht unverwundbar ist, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Die Story? James Bond hat gerade seinen 00-Status bekommen – das bedeutet: Lizenz zum Töten. Seine erste große Mission führt ihn nach Montenegro zu einem Hochrisiko-Pokerspiel im Casino Royale. Sein Gegner: Le Chiffre, ein Banker für Terroristen, gespielt von Mads Mikkelsen. Der Plan ist simpel: Le Chiffre beim Poker ruinieren und ihn zwingen, sich dem MI6 anzuschließen. Klingt einfach, oder?
Natürlich läuft alles schief. Bond verliebt sich in Vesper Lynd, die Treasury-Agentin, die das Geld für das Pokerspiel überwacht. Eva Green spielt sie mit einer Mischung aus Eleganz und Geheimnis, die einen sofort einfängt. Und plötzlich ist das hier kein Bond-Film mehr mit One-Night-Stands und vergessenen Bond-Girls – das ist eine echte Liebesgeschichte. Mit allen Konsequenzen.
Der neue Bond: Härter, brutaler, menschlicher
Daniel Craig war die umstrittenste Bond-Besetzung aller Zeiten. Blond? Zu rau? Nicht elegant genug? Das Internet rastete aus. Und dann kam der Film – und alle hielten die Klappe. Denn Craig liefert hier eine Performance ab, die alles verändert hat.
Sein Bond ist keine glatte Geheimwaffe mehr. Er macht Fehler. Er blutet. Er wird vergiftet, gefoltert, verletzt sich beim Parkour durch eine Botschaft. Und er verliebt sich – richtig verliebt, nicht nur Bett-verliebt. Das hier ist ein Bond am Anfang seiner Karriere, noch nicht abgestumpft, noch mit Gefühlen. Und genau das macht ihn so verdammt interessant.
Mein Fazit zu Casino Royale
Casino Royale ist ein verdammt guter Action-Thriller. Technisch brillant, perfekt inszeniert, mit starken Darstellern. Daniel Craig liefert eine intensive Performance ab, die Action ist brutal und realistisch, die Stunts beeindruckend. Rein handwerklich ist das Top-Kino.
Aber – und das ist ein großes Aber – ist das noch James Bond?
Der Bond, den ich kenne und liebe, hat Charme. Eleganz. Humor. Er trägt perfekt sitzende Anzüge und bestellt seinen Martini mit einem Augenzwinkern. Er ist cool unter Druck, nicht verbittert. Er hat Spaß an seinem Job, auch wenn's gefährlich wird. Er ist eine Fantasie-Figur – und genau das macht ihn interessant.
Casino Royale wirft all das über Bord. Craig spielt Bond wie einen brutalen Schläger mit Traumata. Kein Witz, kein Lächeln, keine Leichtigkeit. Die Gadgets sind weg, Q fehlt komplett, Moneypenny gibt's nicht. Stattdessen: Prügeleien in Treppenhäusern und eine depressive Liebesgeschichte. Das könnte genauso gut Jason Bourne sein. Oder Jack Reacher. Oder jeder andere generische Action-Held.
Die Vesper-Romanze? Für meinen Geschmack zu melodramatisch. Klar, Eva Green spielt gut, aber Bond braucht keine 30-minütige Trauerszene. Das zieht den Film unnötig in die Länge und bremst das Tempo nach dem Pokerspiel komplett aus.
Und genau da liegt mein Problem: Casino Royale versucht zu sehr, ein "ernsthafter" Film zu sein. Es will Prestige-Kino sein statt Entertainment. Es schämt sich für das, was Bond immer war – eine eskapistische Fantasie mit Stil und Spaß. Stattdessen bekommen wir einen grimmigen Realismus-Trip, der zwar gut gemacht ist, aber die Seele der Reihe vermissen lässt.
Versteh mich nicht falsch: Als eigenständiger Action-Film ist Casino Royale stark. Die Parkour-Chase ist legendär, das Pokerspiel spannend inszeniert, die Folterszene intensiv. Martin Campbell kann inszenieren, keine Frage. Aber als Bond-Film? Da fehlt mir einfach zu viel von dem, was die Reihe ausmacht.
Der kommerzielle Erfolg (616 Millionen Dollar, 94% auf RT) zeigt: Das Publikum wollte diesen härteren Bond. Aber für mich persönlich ist das kein Bond mehr. Das ist ein guter Spionage-Thriller mit dem falschen Namen drauf.
Trotzdem: 8 von 10 Punkten. Weil der Film handwerklich exzellent ist, weil Craig eine starke Performance abliefert, und weil die Action sitzt. Aber der halbe Punkt Abzug bleibt – für die verlorene Bond-Magie.
1 Kommentar
Super Einstieg von Craig als Bond. Fanpleasing!