In der düsteren Welt des 19. Jahrhunderts versucht der Wissenschaftler Victor Frankenstein (Oscar Isaac), das größte Geheimnis des Lebens zu entschlüsseln: die Wiedererweckung toter Materie. Getrieben von Schmerz, Verlust und Ehrgeiz, erschafft er ein künstliches Wesen aus Leichenteilen – ein Experiment, das zum Albtraum wird. Die Kreatur (Jacob Elordi) erwacht mit Bewusstsein, Intelligenz und einer tiefen Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Doch statt Anerkennung erfährt sie Ablehnung und Hass – auch von ihrem Schöpfer. Zwischen den beiden entsteht ein grausamer Kreislauf aus Schuld, Rache und Einsamkeit. Elizabeth (Mia Goth) wird zur tragischen Figur zwischen Menschlichkeit und Wahnsinn. Del Toro zeigt diese Geschichte nicht als simples Monsterdrama, sondern als poetische Tragödie über Schöpfung und Verantwortung. Die Welt, in der alles spielt, ist düster, gotisch, und doch von fast märchenhafter Schönheit. Der Horror entsteht nicht aus Blut und Schrecken, sondern aus Emotion, Verlust und menschlicher Hybris. Am Ende stehen Schöpfer und Geschöpf einander gegenüber – zwei Gesichter derselben Verzweiflung.
Guillermo del Toro beweist mit Frankenstein erneut, dass er der vielleicht letzte echte Meister des modernen Gothic-Kinos ist. Jeder seiner Filme trägt seine Handschrift, aber dieser hier ist etwas Besonderes – reifer, ernster, persönlicher. Man spürt in jeder Szene seine Faszination für Monster, aber auch seine tiefe Empathie für das, was Menschen zu Monstern macht. Oscar Isaac spielt Frankenstein als getriebenen Idealisten, dessen Forscherdrang in Wahnsinn kippt. Jacob Elordi verleiht der Kreatur eine unerwartete Sanftheit und Verletzlichkeit, die den Zuschauer berührt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine beklemmende, fast intime Beziehung – nicht Feind und Opfer, sondern Vater und Sohn, die aneinander zerbrechen. Del Toro nutzt klassische Gothic-Elemente – Kerzenlicht, Schatten, Glas, Kupfer, Regen – und schafft daraus ein ästhetisches Gedicht. Der Film sieht aus, als sei jedes Bild ein Gemälde. Die Musik untermalt diese Welt perfekt: leise, bedrohlich, melancholisch. Er verzichtet auf Effekthascherei und findet Horror in Gefühl und Stille. Der Tod wirkt hier nicht wie ein Schreckmoment, sondern wie ein Spiegel der Menschlichkeit. Besonders stark ist, dass der Film keine klare Moral bietet – er lässt Raum für Nachdenken, nicht für einfache Antworten. Man spürt Tragik statt Triumph. Del Toro versteht, dass Frankenstein nie nur eine Gruselgeschichte war, sondern ein Drama über Verantwortung und Schöpfung. Das macht seine Version so kraftvoll. Es gibt keine Übertreibung, keine Ironie – nur pure, ehrliche Leidenschaft für das Genre. Optisch ist der Film ein Meisterwerk, inhaltlich ein stilles Inferno. Und genau deshalb funktioniert er – er geht unter die Haut, nicht in die Ohren. 10 von 10, weil hier alles stimmt: Atmosphäre, Schauspiel, Herz und Schmerz.
WhiskyTom
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